Zunächst hatte sich der türkische Rekordmeister Galatasaray Istanbul mit dem Erdogan-Kritiker Hakan Sükür solidarisiert. Doch inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Auf Druck der Regierung wurde der Vereinslegende die Mitgliedschaft aberkannt. Dabei scheiterte dieses Vorhaben zunächst. Auf der Mitgliederversammlung, bei der Sükür und seinem ehemaligen Mitspieler Arif Erdem wegen ihrer Nähe zur Gülen-Bewegung die Mitgliedschaft entzogen werden sollte, sprach sich eine Mehrheit dagegen aus. Doch Vize-Premierminister Veysi Kaynak machte bei einem Interview mit „CNN Türk“ deutlich, was die Regierung davon hielt: „Galatasarays kontroverse Entscheidung kann so nicht akzeptiert werden.“ Sükür sei ein Symbol der Gülen-Bewegung. „Wenn Galatasaray solche Figuren schützt, wird Galatasaray sich selbst ruinieren.“
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Politik sorgt für die Entziehung der Mitgliedschaften

Sükür war nach dem Ende seiner Karriere 2011 in die Politik gegangen und saß für zwei Jahre für Erdogans AKP im Parlament, 2013 jedoch trat er im Streit aus der Partie aus. Er ist Unterstützer der Bewegung des umstrittenen Predigers Fethullah Gülen, der von Erdogan für den gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich gemacht worden ist. Sükür lebt inzwischen in den USA im Exil, weil gegen ihn in der Türkei ein Haftbefehl wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrorgruppe“ besteht. Auch Sportminister Akif Cagatay Kilic war die Mitgliederentscheidung ein Dorn im Auge: „Wer unser Land und unseren Staat verrät, hat nichts in seinen Institutionen und Sportvereinen verloren. Dieser Fehler muss so schnell wie möglich behoben werden“. Der Druck der Regierung auf den Verein hat sich nun ausbezahlt. Der Vorstand von Galatasaray schloss Sükür dank einer Lücke im System aus: Seit acht Jahren hat er nämlich schon keine Mitgliedsbeiträge mehr bezahlt. Mit dieser Begründung wurden nun er sowie Arif Erdem und 2750 weitere Mitglieder aus dem Verein geworfen.

Basaksehir und die Verflechtungen mit der Politik

Insgesamt ist in der Türkei vermehrt zu beobachten, dass die Politik Einfluss auf den Fußball nimmt. Ein schillerndes Beispiel ist Basaksehir Istanbul. 2014 wurde er aus dem Verein Istanbul Büyüksehir Belediyespor, der ehemaligen Betriebsmannschaft von Istanbuls Stadtverwaltung gegründet. Im Stadtteil Basaksehir, einer Hochburg der regierenden AKP, soll 2019 das modernste Trainingszentrum der Türkei entstehen:

  • sieben Trainingsplätze
  • eine Jugendakademie
  • Fitnesscenter
  • Restaurants
  • Arztpraxis

Ein umstrittenes Bauprojekt, ein umstrittener Verein, der momentan auf dem zweiten Tabellenplatz der Süper Lig steht und für viele Kritiker nur ein Kunstprojekt ist, ähnlich RB Leipzig bei uns, bloß eben nicht aus der Wirtschaft, sondern von der Regierung gesteuert und gefördert. „Wir bekamen für unser Projekt finanzielle Unterstützung vom Sportministerium und von der Stadt“, so Sportdirektor Mustafa Erogut, der über seinen Staatschef Recep Tayyip Erdogan sagt: „Wir mögen ihn, und er mag uns.“ Die Verstrickungen sind offenkundig: Die Kaylon Grup Holding bekam den Zuschlag für die Klub Arena, jenes Unternehmen, das bereits die Umbaumaßnahmen am Taksim-Platz durchführte und vor drei Jahren den Milliardenauftrag zum Bau des neuen Flughafens in Istanbul erwarb. Der Hauptsponsor von Basaksehir ist die Krankenhauskette Medipol, dessen Vorsitzender Fahrettin Koca Gerüchten zufolge der Leibarzt von Erdogan sein soll. fatih_terim_stadium

Erdogan weiß, wie er die Macht des Sports nutzen kann

Der 65-jährige James Dorsey, Autor und Sportwissenschaftler, der mit der Erforschung des türkischen Fußballs beschäftigt ist, sagte gegenüber der „Welt“: „Fußball war in der Türkei schon immer ein politisches Spiel. Seit 2011 erleben wir eine neue Dimension der Politisierung des Spiels.“ Es gab einen Manipulations- und Wettskandal in der Süper Lig, bei den Protesten 2013 kamen Fans verschiedener Istanbuler Klubs zusammen, um gegen die Regierung zu protestieren. Damals griff die volle Härte des Gesetzes zu, verurteilte massenhaft Fans und eroberte sich damit die Kontrolle über die Fankurven. „Erdogan versteht den politischen Wert des Fußballs so gut wie kaum ein anderer vor ihm“, sagt Dorsey: „Und er nutzt ihn aus.“

Das neue Ticketsystem: Kritik an der Datenkrake Passolig

Seit den Protesten 2013 hat die Liga ein neues Ticketsystem eingeführt. Jeder, der in ein Stadion will um ein Spiel zu sehen, muss eine Plastikkarte haben, auf der alle persönlichen Daten des Inhabers gespeichert werden. Die Liga begründete die Einführung damals damit, die Gewalt in den Arenen zurückfahren zu wollen. Doch das, so sagen Kritiker, sei nicht der wahre Grund. „Passolig macht es der Regierung möglich, Fans zu identifizieren und Freunde von Feinden des Systems zu selektieren“, sagt Dorsey. Durch dieses System sind auch die Stadionbesuche zurückgegangen: Die Zahlen brachen um 30 Prozent ein.

Demireli: „Viele Türken definieren ihr Glück oder Unglück im Leben über den Fußball“

Der deutsch-türkische Herausgeber des Sportmagazins „Socrates“, Fatih Demireli, versucht zu erklären, was der Fußball in der Türkei für die Bevölkerung bedeutet. „Viele Türken definieren ihr Glück oder Unglück im Leben über den Fußball. Die Menschen wählen den Fußball bewusst als Betäubungsmittel, da sie mit den realen Problemen nicht umgehen wollen.“ Die Zuschauer in den Stadien sind sehr fanatisch und lassen ihre Gefühle raus. „Wenn wir Türken lieben, dann lieben wir unendlich. Und wenn wir Türken hassen, dann hassen wir unendlich.“ Die Instrumentalisierung des Sports zu Gunsten der Politik verlockt also sehr und ist bereits seit vielen Jahren im Gang.

Bizarres Showspiel mit Erdogan

Bei der Einweihung des neuen Stadions für Basaksehir ließ es sich der Staatspräsident nicht nehmen, selbst im Trikot aufzulaufen. Eine Mannschaft aus Politikern trat in einem kuriosen Showspiel an. Die Mannschaft Erdogans war dabei klar schlechter und lag mit 0:3 zurück. Doch Erdogan spielte groß auf und sorgte mit einem Hattrick für den Ausgleich, am Ende gewann seine Mannschaft gar mit 9:4. Das Video zu diesem Spiel kann noch heute bei YouTube angeschaut werden.

Es wird schlimmer werden

Eigentlich ist es kaum verwunderlich, dass die politische Führung den Sport und die Begeisterung hierfür ausnutzt, um die Bevölkerung zu lenken und zu manipulieren. Es wird sicherlich nicht das letzte Mal sein, dass Vereine einzelne Mitglieder auf Druck von oben entlassen müssen. Es dürfte auch nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Spieler einzelner Nationen nicht mehr in der Türkei unter Vertrag genommen werden dürfen. Foto:wikimediaMaurice Flesier

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